Alternativen zum Zwang

psychiatry

by TheVagoAttila, on Flickr

Wann soll man sich für oder gegen eine Zwangsmaßnahme entscheiden? Die australischen Pflegeforscher Sandra Hyde, Paul Fulbrook, Keryn Fenton und Michael Kiulshaw (2009) entwickelten zusammen mit Pflegenden von zwei psychiatrischen Akutstationen ein Rahmenmodell für das Vorgehen bei einem Gewaltrisiko. Sie nutzten dabei Elemente der Aktionsforschung und beteiligten die Pflegenden in mehreren Phasen der Entwicklung.

Das dabei entwickelte Rahmenmodell kann in drei Abschnitte eingeteilt werden:

1. Entscheidung zum Handeln
Aufgrund des Verhaltens des Patienten kommen die Pflegenden zur Einschätzung, dass ein Risiko für den Patienten oder andere Personen besteht.

2. Entscheidung für eine Interventionsstrategie
Zur Prävention von Zwang und Gewalt können die Pflegenden folgende Strategien nutzen:

  • Deeskalationstechniken
  •  Interventionen, die mit dem Patienten vor seiner Verschlechterung geplant wurden
  •  Medikation anbieten
  •  Time-out anbieten
  •  1:1-Begleitung
  •  das weitere Vorgehen im multiprofessionellen Team besprechen

In ihrer Entscheidung werden die Pflegenden von rechtlichen Rahmenbedingungen beeinflusst, aber auch von der aktuellen Pflegeplanung, der Vorgeschichte des Patienten, einem eventuellen Substanzmissbrauch und vorhergehender Risikoeinschätzungen.

3. Zwangsmaßnahme als letzte Alternative
Wenn diese Maßnahmen das Risiko nicht vermindern, muss die Sicherheit nach Ansicht der Autoren durch eine Zwangsmaßnahme hergestellt werden. Dabei ist ihnen aber wichtig, dass die Zwangsmaßnahme respektvoll und mit Empathie für den Patienten durchgeführt wird.

Gemeinsames Lernen im Gespräch
Das von Hyde und Kollegen (2009) entwickelte Entscheidungsmodell ist weder besonders spektakulär noch neu. Es beschreibt lediglich ein sinnvolles Vorgehen. Für mich liegt der interessanteste Hinweis eher in einem Nebensatz. Die Autoren empfehlen in ihrem Entscheidungsmodell, die Situation und deren Verlauf mit dem Patienten nach zu besprechen, um gemeinsam für künftige Risikosituationen zu lernen. Dieses Vorgehen finde ich generell sehr hilfreich, egal ob die Deeskalation erfolgreich war oder nicht. Pflegende sollten nach einer Risikosituation stets das Gespräch mit dem Patienten suchen, um gemeinsam zu überlegen, wie man zukünftigen Risikosituationen zusammen am besten bewältigen kann. Dies hilft dem Patienten und der Pflege.

Quelle
Hyde, S., Fulbrook, P., Fenton, K., & Kilshaw, M. (2009). A clinical improvement project to develop and implement a decision-making framework for the use of seclusion. International Journal of Mental Health Nursing, 18(6), 398–408. doi:10.1111/j.1447-0349.2009.00631.x